Die gesellschaftliche Entwicklung zu mehr Selbstbestimmung und Selbstverantwortung findet auch im Bereich der gesundheitlichen Versorgung zunehmende Bedeutung. Im Fokus stehen der Respekt vor der Patientenautonomie und daraus folgend das Recht auf eine werte- und präferenzkonkordante medizinische Behandlung.

Autonomes Entscheiden bedarf aber angesichts komplexer sowie durch Tabus und Ängste unter Umständen schwer zugänglicher Fragen einer Befähigung, die über die reine Mitteilung von Fakten in vielen Fällen weit hinausgeht. Die Autonomie des Patienten kann sich in diesem Sinne häufig erst in einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung realisieren (relationale Autonomie), und zur Befähigung bedarf es zur Vermittlung der entscheidungsrelevanten Informationen einer empathischen Kommunikation, wie sie etwa von Rogers beschrieben worden ist.

Shared Decision Making (SDM) gilt in diesem Zusammenhang als idealtypisches Modell für eine Autonomie ermöglichende Befähigung, bei der sich Arzt und Patient als gleichberechtigte Gesprächspartner begegnen, (entscheidungs-)relevante Informationen miteinander austauschen und mögliche Behandlungsoptionen in ihrer individuellen Bedeutung und Tragweite vor dem Hintergrund der Werte, Erfahrungen und Wünsche des Patienten gemeinsam abwägen. 

Seine autonomiefördernde Wirkung entfaltet SDM nicht nur im Rahmen aktuell anstehender oder in absehbarer Zeit notwendig werdender medizinischer Entscheidungsprozesse (Care Planning). Großes Potenzial birgt es ebenso für die vorausschauende Planung möglicher, in der Zukunft liegender Versorgungssituationen, die mit einer Einwilligungsunfähigkeit der Patienten einhergehen – dem Advance Care Planning.

Advance Care Planning (ACP) kann als Sonderform von SDM verstanden werden. Damit wird das Ziel verfolgt, das Selbstbestimmungsrecht von Patienten auch dann zu wahren, wenn diese nicht (mehr) dazu in der Lage sind, ihre Behandlungswünsche zu äußern. Als systemisch angelegtes Konzept befördert ACP die Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens sowohl auf der individuellen Ebene (durch einen umfassenden, in der Regel mehrzeitigen Gesprächsprozess) als auch auf der institutionellen und regionalen Ebene (durch die Entwicklung von Strukturen und Verfahrenswegen zur Beachtung und Berücksichtigung des ermittelten Patientenwillens).

Ziel unserer wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen des Forschungsschwerpunktes ist es, diesen Kulturwandel mitzugestalten, d.h. die Implementierung von SDM und ACP in den unterschiedlichen Settings und mit den unterschiedlichen Akteuren der Allgemeinmedizin weiter voranzutreiben. Unser Fokus liegt dabei auf der theoretischen Auseinandersetzung, der anwendungsorientierten Konzeptentwicklung und der umsetzungsbezogenen Implementierungsforschung.

Laufende Projekte:

Abgeschlossene Projekte:

  • Entwicklung eines SDM-Konzepts für die Lehre an der Universitätsmedizin Essen (2022-2023)
  • BEVOR-Studie (2019-2023)

Koordination

Dipl. Päd.
Annika Godder

Die Primärversorgungsforschung befasst sich mit versorgungsrelevanten Fragestellungen im ambulanten Sektor. Die Bundesärztekammer definiert Versorgungsforschung als die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen.

Zu diesem vielseitigen Forschungsgebiet zählen unter anderem die Patientenperspektive, innovative Versorgungsmodelle zur Aufrechterhaltung der wohnortnahen Versorgung aber auch Untersuchen zur Arzt-Patienten-Beziehung, Versorgungsepidemiologie, Qualitätsforschung, ökonomische Aspekte der Versorgung und viele weitere Teilbereiche.

Die Allgemeinmedizin stellt den größten Anteil der ambulanten ärztlichen Versorgung dar. Somit sehen wir Primärversorgungsforschung unzertrennbar mit allgemeinmedizinischer Forschung.

Laufende Projekte:

  • Primärärztliche Versorgungsungleichheiten im städtischen Raum zu Ungunsten sozial benachteiligter Stadtgebiete – eine Fallanalyse am Beispiel der Stadt Essen
  • Der Hausarzt im Quartier- die Rolle des Hausarztes für eine quartiersbezogene Gesundheitsversorgung (HauRuQ)
  • Physician Assistant in der Allgemeinmedizin (PAAM): Akademische PraxisassistentInnen als Zukunftsmodell in der hausärztlichen Versorgung – Erfahrungen, Bedarfe, Potenziale und Hürden

Koordination

Alessia Dehnen

Prävention und Gesundheitsförderung ist eine wichtige Aufgabe in hausärztlichen Praxen und eine Investition in die Zukunft. Jeder Hausarzt ist gefordert, seine Patienten*innen dabei zu unterstützen, den Eintritt von Krankheiten zu verhindern, zu verzögern oder ihre Folgen abzuschwächen. Oft ist dies durch alltägliche Hürden erschwert, teilweise gibt es aber auch noch viele Evidenzlücken, um Ärzte in ihrem Handeln ausreichend zu unterstützen.

Das ist der Grund, warum sich einige unserer Forschungsprojekte mit Präventionsmaßnahmen befassen und wir dieses Thema zu einem unserer Forschungsschwerpunkte auserwählt haben. Dadurch möchten wir Hausärzt*innen in ihrem Alltag unterstützen. Wir konzentrieren uns dabei zurzeit auf Forschungsprojekte zum Impfen, insbesondere zur Verbesserung des Impfstatus bei Immunsupprimierten, sowie zur Therapie der Tabakabhängigkeit. Wir kooperieren dabei mit anderen Forschungsinstitutionen, wie der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Transplantationsmedizin, Universitätsklinikum Essen (Arbeitsgruppe: Komplikationen der Leberzirrhose und Transplantationshepatologie) dem Institut für Allgemeinmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Laufende Projekte:

  • TiZa: Titerbestimmung nach Impfung mit einem adjuvantierten Herpes-Zoster-Subunit Vakzin bei PatientInnen mit Leberzirrhose und nach Lebertransplantation: eine prospektive Kohortenstudie
  • Erhebung des Impfstatus von PatientInnen vor einer geplanten Lebertransplantation und deren Kontaktpersonen in Deutschland sowie Identifikation von Faktoren, die die Inanspruchnahme von Impfungen bei Kontaktpersonen fördern
  • P-SUP

Koordination

Dr. med.
Dorothea Dehnen

Palliative Care beschreibt die fürsorgliche und kompetente Zuwendung der in Gesundheitsberufen tätigen Fachkräfte zu schwerkranken Menschen auch dann, wenn eine Heilung der Erkrankung unwahrscheinlich wird, Symptomkontrolle in den Vordergrund rückt und / oder das Sterben absehbar wird.

Neben der Palliativmedizin als eigenem, spezialisierten Fachgebiet ist Palliative Care für viele klinische Fächer eine wichtige Verpflichtung. In besonderer Weise gilt das für die Allgemeinmedizin, da die umfassende Betreuung Schwerstkranker und Sterbender sowie die hierfür erforderliche interprofessionelle Kooperation zu den Spezifika des hausärztlichen Berufes zählt. Das wird auch in Zukunft so bleiben: Während eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) durch hauptberufliche Palliativspezialisten nur für einen kleinen einstelligen Bruchteil der hausärztlich betreuten Patienten erforderlich ist (und auch für den Einsatz in der SAPV sind Fachärzte für Allgemeinmedizin bestens gerüstet), bleibt der größte Teil palliativmedizinisch zu behandelnder Patienten in der Obhut ihres Hausarztes.

Zu möglichen Themen der Forschung in diesem Schwerpunkt zählen die Translation wirksamer palliativmedizinischer Konzepte in das hausärztlich-ambulante Setting, die Identifikation und das Verständnis konkreter ambulanter Versorgungsdefizite und die Entwicklung entsprechender Lösungen sowie die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen für die diesbezügliche gesundheitspolitische Diskussion.

Koordination

Univ.-Prof. Dr. med.
Jürgen in der Schmitten, MPH

Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatztitel Palliativmedizin und Psychotherapie

Diagnostik und Therapie in der Primärversorgung unterscheiden sich in vielen Aspekten von jenen der stationären Versorgung. So werden hier zum Beispiel diagnostische Methoden hauptsächlich beim unselektierten Patientenklientel angewandt. Dies verändert wiederum den positiven und negativen prädiktiven Wert diagnostischer Tests mit Folgen für das Handeln primärärztlich tätiger Ärzte. Das Spektrum von Diagnostik und Therapien ist in der Primärversorgung begrenzter, der Großteil der Behandlungsanlässe kann damit ab ausreichend versorgt werden.

Medizinische Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark auf ie stationäre Patientenversorgung konzentriert bzw. findet größtenteils dort statt. Die Erkenntnisse, welche man durch solche Studien erlangt, sind nur bedingt in die Primärversorgung übertragbar. Viele Entscheidungen in der hausärztlichen Praxis erfüllen daher nicht die Kriterien der Evidence Based Medicine (EBM). Durch unseren Forschungsschwerpunkt „Rationale Diagnostik und Therapie in der Primärversorgung“ möchten wir dazu beitragen, das evidenzbasierte Handeln in der Primärversorgung zu unterstützen

Koordination

Dr. med.
Dorothea Dehnen

Facharzt für Allgemeinmedizin

Um die universitäre Lehre auf einem hohen Niveau zu halten und stetig weiterzuentwickeln, ist Lehrforschung, also die Erforschung von Lehre, unabdingbar. Als Institut der Medizinischen Fakultät Duisburg-Essen bringen wir uns neben der aktiven Lehre auch in Lehrforschungsprojekte ein.

Der neue nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) 2.0 wird von uns zurzeit in einem Projekt in Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikum Lübeck evaluiert. Dieses Projekt fokussiert darauf, inwiefern die Vermittlung ärztlicher Kompetenzen im Studium erfolgreich umgesetzt wird.

Laufende Projekte:

  • LOCALHERO (LOngitudinales Curriculum ALlgemeinmedizin zur Stärkung der Hausärztlichen VErsorgung in ländlichen RegiOnen)

Koordination

Dr. med.
Martina Heßbrügge

Koordination Lehre

Koordinator Forschung

Univ.-Prof. Dr. rer. nat.
Michael Pentzek

Koordination Forschung